Vorweg: HCMC ist nicht die Hauptstadt von Vietnam.
Wusstest du’s?
Tja, war mir auch nicht so bewusst.
Peinlich genug.
Sind ja erst 6 Wochen in Vietnam unterwegs.
Hab’s sicherheitshalber nochmals gegoogelt, nachdem Arno es mir gesagt hat.
Es stimmt tatsächlich.
HCMC ist doppelt so groß wie Hanoi.
Hanoi: 3,6 Mio Einwohner.
HCMC: 7 Mio.
Also in 2019 bei der letzten Volkszählung.
Mittlerweile ist sicher die eine oder andere Million dazu gekommen!
Das merkst du schon bei der Stadteinfahrt.
Riesige Wohnbauten türmen sich auf.
Neubauten von super sleek bis klassizistisch.
Säulen und Balkone sehr beliebt!!
Wisteria Lane auf Steroiden.
Dazwischen noch die kleinen ebenerdigen Hütten mit Selbstversorger Garten und Tieren von Hühner, Hasen bis Kühen.
Viele mussten schon weichen.
Viele werden es noch müssen.
Vierspurige Straßen führen direkt bis ins Zentrum.
Hanoi war verkehrstechnisch schon verrückt.
HCMC ist nochmal eine Klasse für sich!
Viel mehr Autos als vor 14 Jahren (Überraschung!).
Aber Mopeds sind noch immer die Herrscher der Straßen!
An den Kreuzungen sieht’s wie ein Angriffs-Geschwader im Standby Modus aus.
Das losstartet eine Sekunde, bevor’s grün wird.
Bzw. abbiegt nach rechts aber auch links, wo immer sie Platz sehen.
Oder eigentlich nicht sehen.
Denn geschaut wird beim Abbiegen oder über die Kreuzung fahren traditionell nicht.
Als Fußgänger: Go with the flow!
Aber gehe Autos aus dem Weg.
Glaub nicht, dass ein Auto extra anhält, wenn du einen Zebrastreifen betrittst.
Mopeds fahren um dich rum.
Autos über dich drüber.
Wahrscheinlich weil die meisten in so riesigen SUVs sitzen und …
Naja, groß sind die Vietnamesen ja nicht.
Da wird’s ohne Sitzpolster schwierig mit der guten Rundum-Sicht.
Also, achte auf dein Timing!
Und dann konsequent weitergehen.
Stehenbleiben verwirrt alle.
Und kann schädlich für deine Gesundheit sein.
Die Wolkenkratzer und Wohnsilos rücken langsam Richtung Zentrum vor.
Stehen Seite an Seite mit den schmalen zwei- bis fünf-stöckigen ein-Zimmer-breiten Röhrenhäusern (s. Schmal, aber lang – warum diese bizarre Bauweise doch Sinn macht).
Zentrum ist der 23. September Platz.
Hier halten alle Busse.
Nicht am Busbahnhof.
Nein, direkt auf der ersten Fahrspurt den Park entlang.
Somit ist eine der drei Spuren eigentlich immer verparkt.
Reges Ein- und Aussteigen.
Ein- und Ausladen.
Sogar ein Moped steht in Karton verpackt verladungs-bereit da.
Hier kommen auch wir an.
Haben in dieser Gegend das letzte Mal auch gewohnt.
Die Straße parallel zur Bus-Ankunfts-Straße war geschäftig.
Mit vielen Lokalen und Bars.
Aber gechillt und laid back.
Jetzt ist sie eine „Walking Street“.
Sollte eher „Go Go Street“ heißen.
Statt der entspannten Backpacker Bars jetzt riesige Go Go Buden.
Abends mit stroboskop-artigen Lichteffekten und dröhnenden Lautsprechern, über die sich selbst Folterkammern freuen würden.
Die Mädels auf den Podesten aber nur semi-motiviert.
Kindfrauen.
Entweder Schulmädchen oder Manga-Look.
Jede hat ihre Handtasche neben sich am Podest stehen.
Achtung beim Durchgehen!!
Nein, nicht wegen der Mopeds, die fröhlich durchfahren.
Sondern wegen der Speisekarten.
Die knallen dir die Keiler der Lokale direkt ins Gesicht!
Unser Glück, dass die Vietnamesen so klein sind.
Kommen oft nicht gut rauf.
Müssen schon hüpfen.
Was sie auch tun.
Mitten im Getümmel Feuerspeier.
Jugendliche – fast noch Kinder – aus armen Familien verdienen so ihr Geld.
Alles andere als professionel.
Sondern gnadenlos.
Ein großer Schluck Petrolium aus einer Mineralwasserflasche.
Durch die Nase einatmen.
Wangen aufgeblasen.
Die Petrolium-Luft-Mischung direkt in eine Flamme speien.
Entdecke eine junge Frau mit ihren beiden Kindern.
Die beiden kleinen Mäuse total brav.
Der „größere“ passt auf die kleinere auf.
Während Mama in die andere Richtung ihre Feuershow macht.
Mir krampft es den Magen zusammen.
Biegen wir in eine Seitengasse ab.
Fünf Meter vom Wahnsinn entfernt landest du in einem komplett anderen Universum.
Die kleinen verwinkelten Gassen verbinden die Walking Street und die Park-Straße.
Also, nicht alle.
Also eigentlich nur 3-4.
Der Rest sind Sackgassen.
Sicherheitshalber aber nicht als solche beschriftet.
Durchgehen ist wie Trial & Error im Labyrinth.
Breite zwischen drei bis ein Meter.
Über deinen Kopf berühren sich viele Häuser fast.
Überall fahren aber Mopeds durch.
Man muss ja zu seiner Wohnung!
In diesem kleinen Universum gibt’s alles.
Homestays, Mini-Marktes, Restaurants, Laundrys, Massage-Studios, Schneidereien, Friseure …
Diese kleinen Gassen sind die erweiterten Wohnzimmer.
Viele sitzen vor ihrem Haus und tratschen.
Schlafen zurückgelehnt auf ihrem So-gut-wie-Liegestuhl.
Oder auf ihrem Moped.
Schaut sogar fast bequem aus.
Wir bringen unsere Wäsche zu einer Laundry in eine Seitengasse.
Ist eine Kombi Wäscherei und Reisebüro.
Beim Abholen hat die Besitzerin gerade Haare gewaschen und noch das Handtuch am Kopf.
Überhaupt ist in Vietnam das Thema Privatsphäre zuhause nicht sehr ausgeprägt.
Aber das ist einen eigenen Artikel wert (stay tuned!!).
Zurück nach HCMC.
Neben supertraditionellen Pho Lokalen mit winzigen Plastik-Möbel entstehen schicke, liebevoll eingerichtete Cafés und Lokale.
Cafés lieben die Menschen von HCMC.
Entdecken ein supernettes.
Liegt im 2. Stock eines Wohnhauses.
Zugang durch den Mini-Markt (und Wohnung?) im Erdgeschoß.
Der Egg Coffee (= Espresso mit einer mit Zucker aufgeschlagenen Eidotter-Crema on top) ist mächtig.
Aber yammie!!
Wir machen zu Fuß Meter in dieser Stadt.
Moped ausborgen ist selbst uns hier eine Nummer zu groß.
Gibt auch kaum Mopedverleihs.
Also, er-gehen wir uns die Stadt.
Kein Tag unter 10.000 Schritten.
Diese Stadt boomt.
Überall Baustellen.
Egal, ob Großbaustelle für den nächsten Wolkenkratzer oder Renovierung eines Gassenlokals.
Keine 200m ohne irgendwelche Bautätigkeiten.
Hab das Gefühl, jeder schafft sich hier ein besseres Leben.
Für sich.
Für seine Kinder.
Voller Zuversicht, dass die Zukunft besser wird!
Um in Vietnam ein Business zu starten brauchst du auch keine Lizenzen oder ähnliches.
Nur für ganz wenige Tätigkeiten.
Du kannst einfach loslegen.
Wenn’s nicht funktioniert, sattelst du auf etwas anderes um.
Für viele dürfte es großartig funktionieren.
An uns fahren BMW, Mercedes und Maybachs vorbei.
Vom Fluss zum Rathaus ein riesiger Boulevard mit Louis Vuitton, Gucci & Rolls Royce.
Hinter dem Rathaus eine riesige Shoping Mall – das Vincom Center.
Alle westlichen Marken vertreten.
Von Luxus bis H&M.
Wobei die H&M Preise hier so wie bei uns sind.
Also für den vietnamesischen Durchschnittsverdiener auch unleistbar.
Erstehe hier ein T-Shirt (grau meliert, ihr wisst, das ist DIE perfekte Reisefarbe) und eine Jeanshort.
Mission impossible ist nichts dagegen:
1. Das richtige Geschäft finden (lande im H&M).
2. Im Geschäft das Richtige finden (irre suchend auf zwei 2 Stockwerken eine Stunde hin und her).
3. Die richtige Größe und Passform finden (4-mal in die Umkleide und wieder zurück in den Store).
Am Schluss bin ich schon BFF mit dem Mädel, das das Gewand zusammenlegt.
In Summe: 2 Stunden.
Arno will schon fast eine Vermissten-Meldung aufgeben.
Er hat sich raus gesetzt.
Brauch jetzt einen Kaffee!!!
Am Eck ist eine super angesagte Bude in einem alten Jahrhundertwende-Haus.
Ein Altbau fast wie bei uns in Wien.
Umfunktioniert zu einer hippen, shabby Chick Boutique-Shopping Mall.
Breites abgefucktes Stiegenhaus.
Lift schon lange außer Betrieb.
Die ehemaligen Wohnungen sind Cafes oder kleinen Boutiquen.
Vorm Café im Erdgeschoss große Influencer-Battle.
Posen mit Kaffee vorm Lokal.
Am Rückweg gehen wir die Extrameile.
Wortwörtlich.
Machen noch einen Umweg übers und ins War Remnant Museum.
Vietnam Krieg.
Hatten wir schon vor 14 Jahren besucht.
Was sich verändert hat?
Hm …
Nun heißt der Krieg auch hier „Vietnam war“.
Vor 14 Jahren nannten sie’s noch „American war“.
Schwerpunkte sind jetzt Agent Orange und War Crimes.
Und deren Auswirkungen bis heute.
Noch heute liegen Blindgänger in den Feldern.
Noch heute ist der Boden mit Agent Orange kontaminiert.
Gefühlt aber etwas Amerika- und Westen-freundlicher.
Hilfsprogramme und Wiedergutmachungen werden auch dargestellt.
Auch wenn die Füße schon schmerzen, tut gut nach dem Museum ein Stück zu Fuß zu gehen.
Verdauen.
HCMC holt dich aber schnell wieder in die Gegenwart zurück.
Spätestens bei der nächsten Straßenquerung.
Hanoi ist eine Hammer Stadt.
Eher leicht konservierte Vergangenheit.
In HCMC atmest du an jeder Ecke Zukunft.
Überall Aufbruch, Aufbau, Vorwärtsstreben.
Mal etwas gemütlicher.
Mal mit voller Wucht.