Flächenmäßig ist Hanoi mit 3.300 qkm ungefähr 8 mal so groß wie Wien und hat geschätzte 9 Millionen Einwohner. Die Stadt hat einen etwas irren Charme. Es ist ziemlich laut hier, alles hupt und irgendwelche Verkehrsregeln scheinen hier niemanden zu interessieren. Obwohl ich zugeben muss, dass es mir bei unserem ersten Trip hierher schlimmer vorkam. Jetzt kommt es mir etwas gesitteter vor als vor gut 10 Jahren. Vielleicht ist es aber auch nur die Erwartung die sich aus der Erinnerung speist. Man muss sich trotzdem wieder daran gewöhnen, dass man, wenn man über die Straße will, mal einfach losgehen muss. Darauf zu warten, dass jemand anhält ist vollkommen sinnlos. Augen auf und durch, man muss Teil dieses chaotischen Systems werden und sich darauf einlassen. Jeder passt auf jeden auf aber niemand bleibt freiwillig stehen. Und man muss zugeben irgendwie funktioniert es. Es schaut zwar aus wie das komplette Chaos, aber es steckt eine für uns nicht erkennbare Ordnung darin. Wir sind jetzt seit mehr als 2 Tagen hier und haben noch keinen Unfall gesehen!
Hanoi ist wirklich eine irre aber geile Stadt. Die Stadt ist unfassbar lebendig an jeder Ecke bekommt man 100 neue Eindrücke. Altes mischt sich mit neuem. Traditionelles mit hippem. Coole Straßencafe´s neben Läden die man mit dem Begriff Improvisationskunst umschreiben könnte. Stylische Restaurants mit Ledersofas neben Garküchen mit Miniplastikstühlen. Man kann für 1,50 oder für 150,- Euro Essen gehen und das quasi nebeneinander.
Auf Grund der langen Geschichte (700 v.Ch.) hat Hanoi natürlich sehr viel historisches zu bieten. Was dazu kommt ist, dass auf Grund der wechselvollen Geschichte die Stadt ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen war und ist. Das ist sicherlich auch ein Grund warum diese Stadt so spannend ist. Obwohl man Vietnam ja durchaus als autokratisch kommunistisch geführtes Land bezeichnen kann, merkt man auf den Straßen eigentlich nichts davon. Polizei oder Militär sucht man hier vergebens auf den Straßen und man hat das Gefühl, dass sich die Menschen durch das politische System nicht in Ihrem täglichen Leben behindern lassen. Man merkt, dass die Leute hier sehr aktiv sind und jeder versucht irgendwie voranzukommen. Im Gegenzug scheint es aber auch so zu sein, dass der Staat die Menschen in Ihrem Streben zumindest nicht grundlegend behindern würde. Es ist so etwas wie eine staatlich geduldete Freiheit über der aber klar die Überschrift steht „wir könnten auch anders“.
Der Staat und seine Institutionen sind im Stadtbild immer präsent und man hat das Gefühl, man sollte schon etwas Vorsicht walten lassen, denn man möchte nicht in die Mühlen dieses Systems geraten. Sehr deutlich wird das im Regierungsviertel das vom Ho Chi Minh Mausoleum mit seinem riesigen Paradeplatz dominiert wird. Gegenüber ist der Volkskongress (sowas wie das Parlament bei uns) und neben dem Mausoleum ist der Präsidentenpalast. Die ganze Architektur hier ist darauf ausgelegt sich als Einzelwesen möglichst klein und unbedeutend zu fühlen.
Glücklicherweise verfliegt dieses Gefühl sehr schnell wieder wenn man in das angrenzende „Old Quarter“ zurückkommt. Am Übergang ins „Old Quarter“ findet man auch die „Train Street“ die mittlerweile kein Markt mehr ist sondern eine Straße durch die der Zug fährt und auf beiden Seiten reiht sich ein Caféhaus ans andere. Schon wenn man sich dem Bahnübergang nähert schleichen sich die Cafehauskeiler an einen ran und versuchen die Touristen dazu zu bringen sich in Ihr Cafe zu setzen und auf den Zug zu warten. Etwa 5 mal pro Tag fährt der Zug durch diese Straße und man muss zugeben irgendwie lässt man sich auch von dieser „Trainmania“ anstecken. Im Caféhaus zu sitzen und darauf zu warten, dass ein Zug vorbeifährt klingt ja irgendwie nicht besonders attraktiv. Wenn man aber sieht wie eng diese Straße ist und sich vorstellt wie breit ein Zug ist wird es schon deutlich interessanter.
Kurz bevor der Zug kommt werden die Gleise freigemacht, da läuft so eine Art „Gleisbeauftragter“ durch mit seiner Pfeife und schreit alle an. Wir haben uns eine erhöhte Position im 1 Stock gesucht, wegen der Aussicht. Dann fährt der Zug mit recht gemächlichen 30 Km/h durch und das „Happening“ ist auch schon wieder vorbei. Früher war diese Straße ein Markt und man ist auf den Gleisen an den Ständen vorbeimarschiert. Dann sind die Leute wohl draufgekommen, dass mit Touris die den Zug bestaunen mehr zu verdienen ist und so gibt es nur noch vereinzelt Händler die mit Postkarten oder Zigaretten durchlaufen. Tatsächlich ist es so, dass die Cafés gleichzeitig die Wohnhäuser der Menschen sind. Quasi hinter der Theke ist das Wohnzimmer und im Obergeschoss das Schlafzimmer. Und wenn grad kein Zug im Anmarsch ist wird das Caféhaus als Moped Garage oder Freiluftküche verwendet. Das gute ist, dass tatsächlich die Menschen die in der Straße leben das Geld verdienen.
Morgen geht es weiter in den Norden von Vietnam, nach Sapa!