Drei Notfälle: Reparieren statt neu kaufen – hätte in Österreich ein Vermögen gekostet

Ich hab einen Lauf in Vietnam.
Gleich drei Sachen werden kaputt.
Bzw. bestehen den Claudia-Härtetest nicht.
Drei Fälle, wo wegwerfen und neu kaufen gar nicht in Frage kommt:

1. Das Silberketterl, das mir meine Nichte extra für die Reise geschenkt hat.
   
   Beim Schwimmen im feinen Pool vom Lotus Village Resort hake ich mit dem Kinn in der Kette ein.
   Ping.
   Und schon ist sie am Boden des Pools.
   Zum Glück nur 1,5 Meter tief.
   Und wirklich gute Sicht.
   Uff.
   Schnell wieder gefunden und herauf „getaucht“.
   Abgerissen.
   
   Geht gar nicht!!!
   Das Ketterl ist unersetzbar.
   Ist ja von meiner Nichte.
   
2. Meine elektrische Zahnbürste.
   
   Stürzt – ebenfalls in Mui Ne – auf den Terracotta Boden.
   Das Gehäuse am Griffende splittert sich fröhlich auf.
   Oh no!!!
   Hab 4 weitere Aufsteck-Bürsten mit.
   Der Griff muss noch die restliche Reise halten!!
   
   Die Marke gibt’s in Vietnam nicht.
   Ist von einem deutschen Start Up.
   Nur Online Vertrieb.
   Bis der neue Griff da ist, sind wir schon drei Länder weiter.
   
3. Die Ohrpolster meiner Bose Kopfhörer atomisieren sich.
   
   Bei der Abfahrt in Wien war alles noch gut.
   Aber die Hitze dürfte ihnen nicht so gut tun.
   Und ok, sie auch schon sieben Jahre alt.
   Das verflixte 7. Jahr also.
   
   Ohne Ohrpolster sind sie echt schwer zu benutzen.
   Aber technisch noch super.
   Viel zu teuer und schade zum Wegwerfen.
   Online gäbe es schon Ersatzpolster.
   Aber same same wie bei der Zahnbürste.

Was tun?

Wir fahren von Lotus Village Resort nach Phan Thiet (s. Phan Thiet – altes und neues).

Mission:
Duckt Tape finden, um den Zahnbürsten Griff zu verarzten.

Mehr zufällig als geplant stoßen wir im Zentrum aufs Marktgebiet.
Mit vielen Spezialisten-Gassen rund herum.
Chakaaaa!!!!
Es gibt eine Handwerker-Gasse.
Mit einem Shop mit einmal alles!!
DIY-Heaven!

Hinein in den Laden.
Regale scannen.
DA!
Über der Kassa Duct Tapes in allen Farben!!
Kann’s gar nicht glauben!
Wähle schickes Silber.
Eine Rolle 20.000 Dong (= 0,74 Euro).
Das kann wiederum Arno gar nicht glauben.

Problemfall Nummer zwei, die gerissene Kette, ist schwieriger.
Denken wir.

Doch rund um die Markthalle, gegenüber von Fleisch- und Gemüse-Ständen jede Menge Juweliere.
Keine Ahnung, warum sie sich neben rohem Fleisch ansiedeln?

Challenge:
Unter den ganzen Gold-Juwelieren auch einen Silber-Juwelier zu finden.
Warum stehen sich’s alle so auf Gold?
Will schon fast aufgeben.
Machen uns auf den Rückweg zum Moped.
Tataaaaa!
Da glitzert es doch silber, nicht gold in den Vitrinen.

Ich sofort hin.
Arno: „Das neu Verlöten wird total teuer sein. Da wirst gleich eine neue kaufen können.“
Hm.
Fragen kostet ja nix.

Den Laden betreibt ein junges Paar.
Sie vorne im Verkauf.
Er hinten an der Werkbank (sagt man das bei Goldschmieden auch so??).
Englisch schwierig.
Problem-Kette herzeigen und Übersetzungs-App anwerfen.

Können sie das reparieren?
Ja.
Jetzt sofort?
Kurzer Blick zum Ehemann nach hinten: Ja.
Spannendste Frage:
Was kostet es?
20.000 Dong.
Wie das Duct Tape.

No way!!!!

Der Gold-, besser gesagt Silber-Schmied nimmt sich meine Kette gleich vor.
Ist ein zartes Ketterl.
Winzige Glieder.
Aber keine 10 Minuten später hängt sie heil wieder um meinen Hals.

Problem Nr. 3 tritt erst in Ho Chi Minh City auf.

Wie gesagt, online kein Problem, neue Ohrpolster zu bestellen.
Bose Original ca. 35 Euro.
No Names nur 15 Euro, dafür 12 Euro Versand.
Haha.

Geht aber sowieso nicht.

Arno hat die Idee, doch nach Bose Händlern in HCMC zu googeln.
Kluger Mann (drum hab ich ihn ja geheiratet 🥰).

Google spuckt ein „Bose authorized Service Center“ aus.
53 Minuten zu Fuß (one way).
Grmpf.
Mir tun die Füße ja schon von den letzten Tagen weh.

Es ist nicht herauszufinden, ob sie Sachen nur zur Reparatur annehmen oder auch Ersatzteile haben.
Müssen auf gut Glück hingehen.
Nochmal eine Stadttour zu Fuß.
Dabei wir kennen 75% der Strecke schon.
Hilft nix.

Eine Stunde später laufen wir fast an dem Laden vorbei.
Total unscheinbare Auslage.
Besser gesagt:
Drinnen schaut’s absolut chaotisch nach Elektronik-Second-Hand Laden aus.
Überall stapeln sich in Folie eingepackte Geräte.

Meine Skepsis wächst.
Packe meine kaputten Kopfhörer und die Übersetzungs-App aus.

Haben sie Ersatz-Ohrpolster dafür?
Das Mädel hinterm Counter: ja.
Lagernd?
Sie schaut mich etwas verwundert an: ja, selbstverständlich.

Musik in meinen Ohren!

Der Preis fast schon irrelevant.
Kosten den Original-Preis von 35 Euro.
Dafür sind’s auch tatsächlich original Bose Ohrpolster!
Ein Mitarbeiter montiert sie mir gleich.

Claudia im Glück!

Laufen am Rückweg an einer Open-Air-Schuh-Reparatur an einer Kreuzung vorbei.
Hier wird alles repariert.
Von Highheels bis Flipflops.

In Österreich wären viele dieser Reparaturen horrend teuer.
Oder würden gleich gar nicht mehr angeboten werden.
Hier in Vietnam ist Reparieren noch billiger als neu kaufen.
Darum funktioniert’s auch.

Wie schön wäre es, wenn wir in Europa auch wieder dorthin zurück finden?
Und es hier in Asien bei allem berechtigten Streben nach mehr Wohlstand und Komfort diese starke Reparatur-Kultur erhalten bleibt?

Naja, träumen darf man ja noch ein bisserl!